Ein wenig überrascht und enttäuscht war ich ja schon, als sowohl Kicker, Spox und Transfermarkt als auch Sportal, Bild und Sport1 die Nachricht ignorierten. Folglich gibt es hier die exklusive Info: Ich habe einen Kreuzbandriss inklusive angebrochenem Knochen. Ihr dürft euch jetzt gerne ausmalen, wie ich mich heldenhaft in einen Zweikampf stürze oder selbst brutal niedergestreckt werde. Die typischen Fußballerunfälle also. So war's aber leider nicht. Umso heroischer ist hingegen mein Gang ins Stadion am Samstag zu werten. Da muss schon mehr kommen, um mich von einem Heimspiel fern zu halten.
Keinen Kreuzbandriss hat - und somit steht die wohl beste Überleitung meiner Bloggergeschichte fest - Simon Rolfes. Am Montag wurde unser Kapitän 31 Jahre alt, aber das ist nur der Aufhänger für eine längst fällige Wertschätzung. Als alter Hase verschrien und von vielen Fans in Gedanken schon aussortiert, zeigt Rolfes in dieser Saison eindrucksvoll, warum er noch immer den Platz als Spielführer betritt. Man könnte meinen, die Position des defensiven Mittelfeldspielers sei eine dankbare. Zumindest in der medialen Wahrnehmung mag das stimmen, schließlich wird weder die konstante Torquote eines Stürmers verlangt, noch fallen individuelle Fehler derart stark ins Gewicht, wie die eines Innenverteidigers. Statistisch relevant sind bei der Evaluation allenfalls Zweikampfwerte, Passquoten und gegebenenfalls gelaufene Kilometer. Dem Fan im Stadion sind solche Informationen natürlich selten griffbereit. Er muss sich auf einen ganz anderen Faktor verlassen: Seine subjektive Wahrnehmung. Erst in dieser kommen Werte zum Tragen, die einen defensiven Mittelfeldspieler zu einem zentralen Spieler einer Mannschaft machen. Einsatz, Wille und Präsenz sind solche Begriffe, die eher vage anmuten und durch Zahlen nicht auszudrücken sind. Über fast acht Jahre hat sich Simon Rolfes solcher Werte nun für Bayer 04 verdient gemacht. 218 Bundesligaspiele sind auf seinem Konto. Damit steht er auf Rang acht der Leverkusener Rekordspielerliste, gleich hinter Gonzalo Castro (221). Rolfes schoss schon Siegtore gegen den 1. FC Köln. Er holte sich jüngst nach 75 Sekunden auf dem Platz eine rote Karte ab. Und unvergessen ist auch sein Einsatz 2010 beim VFL Wolfsburg, als er nach einer Verletzungspause einen 0:2 Rückstand innerhalb von 20 Minuten fast allein in ein 3:2 drehte. Dies sind nur ein paar Gründe, mit denen Rolfes eigentlich einen anderen Status verdient hätte, als er ihn etwa letzte Saison erlebte. Ein Stefan Kießling etwa gilt längst als Leverkusener Wahrzeichen. Er bekennt sich zum Verein, ist offen, trotzdem bescheiden und genau deshalb sympathisch. Rolfes dagegen agiert etwas stiller, zurückhaltender, ganz gemäß seiner Position. Zwar tritt er dank seiner Rolle als Kapitän niemals ganz in den Hintergrund, doch sonst ist sein Auftreten am ehesten mit "besonnen" zu beschreiben.
In der Saison 2012/13 gelingt Rolfes nun das, was unter Robin Dutt schon als verloren galt. Er gewinnt seine Präsenz zurück. Er spielt kluge Pässe, gewinnt Zweikämpfe und schießt überdurchschnittlich häufig - kurz: er dominiert neben Lars Bender das Leverkusener Zentrum. Mit nun 31 Jahren nimmt Rolfes nicht die Rolle eines schwächelnden Profis auf dem Abstellgleis ein, sondern die des erfahrenen Vorbilds. Seine wiedergefundene Stärke steht stellvertretend für das Leverkusener Spiel, dessen Vorteile auch in der Dominanz des Mittelfelds liegen. Anfang 2013 stehen die Zeichen nicht mehr auf Abschied, sondern auf Vertragsverlängerung. Vielleicht will er seine Karriere sogar hier ausklingen lassen. An Bekenntnissen mangelt es also auch bei Rolfes nicht, sofern nach acht Jahren Vereinstreue überhaupt welche verlangt werden. Und ich hoffe, dass der Ruf des Simon Rolfes ihm so langsam gerecht wird. Denn ohne ihn würde ohne Frage ein wichtiger Grundpfeiler unserer Mannschaft fehlen - und das nicht nur sportlich.
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