Was macht mache eigentlich ich? Gut einen Monat lang hat halb04 stagniert. Meine freie Zeit scheine ich gerade im Dezember recht inhaltsleer verbracht zu haben. Oder sagen wir, um gerecht mir gegenüber zu sein: Ich habe mehr Worte in mir aufgenommen als von mir gegeben. Dabei schreibe ich hier doch in erster Linie für mich. Falls jemand mitliest, umso schöner. Und damit beide Seiten in Zukunft wieder ein wenig vom Besuch dieser Seite mitnehmen, richte ich hiermit eine offizielle Notiz an mich: Sebastian, nimm doch bitte häufiger die Tastatur in die Hand und schau' nicht so viele Filme. Schreib' auch mal was nach Niederlagen. Und iss' mehr Obst. Danke, wird gemacht.
Gedanken gemacht habe ich mir in den vergangen Wochen trotzdem. Deutlich geworden ist mir zumindest, dass ich hier vorwiegend von meinen subjektiven Eindrücken berichten will. Da ich zwischen den Spieltagen auch oftmals nichts Neues zu erzählen weiß, möchte ich die Themenwahl in Zukunft ein wenig bunter gestalten. Vorgenommen habe ich mir in etwa Kritiken zu diversen Medien. Unter'm Tannenbaum lagen beispielsweise Zeiglers Radio-Sammlung Hopp around the Klopp und Moritz Volz' Buch Unser Mann in London. Sobald die Bücher-Warteschleife bis zu Volz vorgerückt ist, folgt meine Meinung. Auch bei Zeigler ist noch etwas Warten angesagt, denn die 2,3 Stunden Audiomaterial koste ich genüsslich aus und konsumiere nur in kleinen Happen. Des Weiteren warten im Schrank sicher noch ein paar staubige Fundstücke, bei denen sich ein genauer Blick lohnt. Wie dem auch sei: Auf halb04 soll es weiter mit Fußball gehen.
Als meine Freundin mir vor ein paar Tagen per Kurznachricht "Hängst du sehr an Carvajal?" schrieb, stand mir kurz die Panik ins Gesicht geschrieben. Noch auf der Arbeit wurden Kicker und Transfermarkt nach Neuigkeiten abgegrast - Gott sei Dank ohne Fund. Gemeint war nur die Transferanfrage eines Freundes beim Kicker Managerspiel. Sofort ging zurück "Ja, unverkäuflich". Und damit, an diesem regnerischen Mittwoch, wurde mir etwas Offensichtliches schlagartig erst richtig bewusst: Was ist das eigentlich für eine geile Mannschaft? Wie viel Spaß macht denn diese Saison? Rhetorische Fragen, selbstredend. Der derzeitige zweite Platz in der Liga wirkt mehr wie ein Bonus für eine wirklich schöne Hinrunde. Ganz so wichtig wird die Platzierung hier nicht genommen. Stünden wir mit der Leistung auf Platz vier, würde ich mich auch nicht beschweren. Trotz der hohen Belastung machte das Team den Einzug in die Europa-League-Zwischenrunde frühzeitig klar. Und so lässt sich das Aus im DFB-Pokal durchaus verkraften - zumindest die Freundin wird sich über einen spielfreien Wochentag mehr freuen. Eine Zusammenfassung aller Hinrundentore Leverkusens (das Video ist mittlerweile aus rechtlichen Gründen gesperrt) ließ mich zuletzt noch einmal viele Glücksmomente nacherleben. Was jedoch den wahren Wert eines solchen Rückblicks ausmacht, sind die Erinnerungen an jedes einzelne Spiel, das man im Stadion oder vor dem Fernseher verfolgt hat. Oftmals sind es doch nicht die Tore, sondern Torwartleistungen, meterlange Grätschen oder ein Tunneln des Gegners, die ein Spiel treffend charakterisieren. Was die Saison 2012/13 bisher derart ausgezeichnet hat und gefühlt zu etwas wirklich Besonderem macht, versuche ich nun ein wenig zu entfalten.
Natürlich muss hier mit dem Trainerduo begonnen werden. Allein der Begriff klingt - sogar bundesligaweit - herrlich ungewohnt...Trainerduo... Zwei Trainer, zumindest vordergründig gleichberechtigt, erinnern an alte Fußballjugendzeiten, in denen bei Trainermangel einfach ein weiterer Spielervater ins Ehrenamt gesprungen ist. Die Skepsis vor der Saison war, trotz guten Ergebnissen in den letzten Spielen der vergangenen Spielzeit, groß und natürlich war auch ich ein wenig befangen. Hyypiä war als Trainer beinahe komplett ohne Erfahrung und für Lewandowski war der Sprung von der U19 zum Profifußball auch kein kleiner. Andererseits würde Bayer sicher keine zwei Männer einstellen, die gar keine Ahnung haben, was sie tun. Auf einen hoffnungsvollen Versuch durfte man es also durchaus ankommen lassen. Sicher gibt es negative Seiten bei einer Besetzung eines Cheftrainers und eines Teamchefs, beispielsweise schwierige Konfliktlösungen bei entgegengesetzten Meinungen, doch gleichzeitig wird über schwierige Entscheidung demnach doppelt nachgedacht. Eine neue Spielweise wurde angekündigt, beinahe großspurig erfolgreicher und zugleich ansehnlicher Fußball versprochen. Gerade wegen des neuen Systems wurde für mich schon die Testspielphase im Sommer eine der interessantesten Vorbereitungen der letzten Jahre. Natürlich stolperte das Team auch, etwa gegen den vermeintlich ähnlich starken Gegner wie Neapel. Aber daraus konnte etwas werden, das sah der Zuschauer. So eine Mannschaft sein ein "zartes Pflänzchen", hätte Dutt noch vor einem Jahr gesagt. Doch erst Lewandowski und Hyypiä veranschaulichen, wie eine Spielidee von Grund auf neu aufgezogen wird und mit jedem Spiel wächst. Gegen starke Frankfurter war die Abwehr noch ein einziges Chaos, keine Frage. Doch schon im nächsten Spiel stand die Viererkette sicher. Ich habe das Gefühl, dass aus jeder schwachen Leistung tatsächlich etwas gefiltert wird, was im nächsten Spiel korrigiert wird. Das Ziel wird es sein, dass solche Korrekturen eine längere Halbwertszeit haben. Das Chaos aus dem Frankfurter Waldstadion herrscht zumindest nur noch in äußerst spärlichen Ausnahmefällen. Offensiv bin ich ohnehin begeistert: Kein Vergleich zum ideenlosen Herumgeschiebe der vergangenen Spielzeit. An welchen Akteuren sich die Veränderungen unter anderem festmachen lassen, will ich nun ausführen.
Eine herausragende Figur der Viererkette habe ich bereits genannt: Daniel Carvajal. Ich weiß gar nicht, was ich schreiben kann, damit ich nicht zu schwulstig, schnulzig oder ironisch klinge, aber meine Fresse: ist der Junge gut! Eben genannter Rückblick verdeutlichte mir erst, an wie vielen Toren er schon beteiligt war, auch wenn es oft "nur" eine starke Balleroberung zu Beginn eines Angriffs oder eine kleine Körpertäuschung war. Spielverlagerung nennt ihn nicht zu unrecht den derzeit stärksten Rechtsverteidiger der Liga. Die Vergleiche zu Reals Linksverteidiger Marcelo können in der Tat unterschrieben werden. Was den Außenverteidigern Leverkusens zu Gute kommt - das zeigte jüngst auch Sebastian Bönisch - ist der uneingeschränkte Platz auf der Außenbahn. Während die Offensivspieler Castro und Schürrle nach innen ziehen, können Carvajal oder etwas seltener Hosogai durchstarten. Etwaige Defensivschwächen werden dadurch abgedeckt, dass die defensiven Mittelfeldspieler einspringen, wenn die Außenverteidiger nicht zur Stelle sind. Im Abwehrverbund muss auch die innere Abteilung lobend genannt werden. Philipp Wollscheid gehört schon jetzt zu den tragenden Säulen des Teams. Seine enorme Zweikampfstärke macht gerade mir, als Fan von starken Innenverteidigern, regelmäßig Spaß. Gelegentliche Stellungsfehler können sicher ebenfalls minimiert werden. Auch Wollscheid wächst mit dem Team.
Zum Glück nicht mehr in der Innenverteidigung steht Stefan Reinartz. Sicher habe ich es schon erwähnt, aber mein Bild von Reinartz hat sich in den letzten Monaten extrem geändert. Nachdem 2011 zumindest mit einem Aussetzer pro Spiel zu rechnen war, kann sich Reinartz auf der Position im Zentrum endlich ausleben. Er lässt ungeahnte technische Finesse aufblitzen, spielt kluge Pässe und ist oft der heimliche Dreh- und Angelpunkt im Aufbauspiel. Nur rückt er wieder zurück in die Viererkette, wie gegen Hannover, geht alles schief. Nicht mehr machen! Eine ähnlich positive Entwicklung zeigt André Schürrle. Auch ihm hätte ich letzte Saison häufiger eine Zwangspause verschrieben, doch Schürrle stand fast immer in der Startelf, ohne jedoch produktiv zu sein. Unter den neuen Trainern ist er ebenfalls Stammspieler, diesmal jedoch gerechtfertigt. Schürrle gewinnt immer mehr Selbstvertrauen und es gelingt ihm einfach einiges mehr. Eine ausführlichere Lobeshymne hätten an dieser Stelle auch beispielsweise Simon Rolfes oder Lars Bender verdient, jedoch möchte ich im Mittelfeld vorerst nur noch auf Gonzalo Castro eingehen. Schon unter Heynckes wurde Castro aufgrund einer längeren Verletztenliste des öfteren auf die linke Außenbahn versetzt und schon damals strahlte er Torgefahr und ein ungemeines Spielverständnis aus. Jetzt spielt Castro wieder vorne. Noch offensiver, noch torgefährlicher, noch besser. Der beste Castro, den wir je hatten. Als Rechtsverteidiger sind so einige seiner Qualitäten verloren gegangen. Wenn er sich um den Sechszehnmeterraum bewegt, wirkt er nie unüberlegt. Berechnend und kühl, im positivsten Sinne.
Womit wir auch schon im Sturm und damit dem Führenden der Torschützenliste wären: Stefan Kießling. Ich bin sicher: Nicht eine Fernsehübertragung ist vergangen, in der der Kommentator nicht die Worte "bester Torschütze im Kalenderjahr 2012" ausgesprochen hat. Auch Kießling hatte unter Heynckes schon eine höchst erfolg- und torreiche Phase. Und man möchte meinen, dass auch er sich noch gesteigert hat. Einzig zweifelhaft blieb die Frage nach einer Alternative. Im Falle einer Verletzung müsse der bisher sehr ineffektiven Fernándes einspringen. Oder es wird ganz auf einen nominellen Stürmer verzichtet. Doch das weiß natürlich auch die Vereinsführung, weshalb mit Arkadiusz Milik ein weiteren junger Stürmer verpflichtet wurde. Nach den Studien höchst eindimensionaler Youtube-Videos fühlte ich mich fast schon an den sehr jungen Zlatan Ibrahimovic erinnert (schöne Doku über "Ibra Kadabra", schwedisch mit englischen Untertiteln), aber die polnische Liga ist selbstverständlich ein ganz anderer Maßstab. Hoffen dürfen wir ja trotzdem auf den nächsten Glücksgriff. Die Trainer scheinen diese Saison ein Händchen dafür zu haben, aus vielen Spielern - wenn auch nicht aus allen - das Beste herauszuholen.
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