Montag, 29. Oktober 2012

Viertel nach 07: München - Leverkusen

Als Fan von Leverkusen weiß man es: Nur 38% Ballbesitz, ein Torschussverhältnis 5:24 und 4:34 Flanken sprechen Bände. Am Ende steht ein 2:1 aus Leverkusener Sicht auf der Anzeigetafel. Der Sieg war glücklich, keine Frage.

Aber "glücklich" bedeutet nunmal nicht nur "vom Glück begünstigt", sondern auch "von Glück erfüllt" sein. Und genau deshalb war im Moment des Abpfiffs alles unwichtig. Mit Statistiken wischt sich in diesem Moment ein jeder Leverkusener den Hintern ab, der unglaublich nervende Hansi Küpper ist vergessen und die Analyse von TV-Experten geht im Jubel und dem Anstoßen von Bierflaschen völlig unter. Genau diese Siege, mit denen niemand ernsthaft rechnet, sind letztendlich doch die schönsten. Selbst nach der ersten Führung wagte man kaum, auf mehr als einen Punkt zu hoffen. Selbst vor dem Fernseher spürte man den ungeheuren Druck, der auf der Mannschaft lastet. Der Sturmlauf Bavarias musste doch irgendwann zum Erfolg führen. Es war ein Warten auf den Gegentreffer und ein Hoffen, dass das Warten 90 Minuten andauere und vom Schlusspfiff beendet werde. Und dann fiel es doch. Nach 77 Minuten hielt man der Belagerung nicht mehr Stand und kassierte den Ausgleich. Das Spiel begann von vorn, mit dem Warten auf den Schlusspfiff. Ziemlich optimistisch mutete danach die Flanke von Carvajal an. Perfekt geschlagen, über Boateng hinweg, aber: auf Siney Sam. "Wie soll der den denn verwandeln", dachte man noch und erwartete einen Kullerball in die Arme Manuel Neuers. Dann war der Ball im Netz, irgendwie. Ein Schlag ins Gesicht der Bayern, ein Kopfball in das von Boateng. Nachdem Sam bereits in Trondheim Kießlings Brust angeschossen hat, unterstellt man ihm im Rausch der Gefühle sogar Absicht. Wieder Warten, das Herz rast. Es sind plötzlich nicht mehr die Dribblings, nicht mehr die Kombinationen und Steilpässe, die mit Applaus bedacht werden, sondern die geblockten Schüsse, die Grätschen an der Strafraumgrenze und die abgelaufenen Bälle an der Torauslinie. Beim Schlusspfiff schreit man dann alle Emotionen frei heraus. Gewonnen, alles andere ist egal. Wider Erwartens stimmt plötzlich sogar der eigene Tipp. Ein Bekannter setzte gar fünf Euro auf einen Sieg Leverkusens und einen Treffer Kießlings. Aus fünf Euro wurden 100. An manchen Tagen läuft's einfach. Sam ist im Interview nach Spielende komplett überfordert, wird aber vom Reporter nicht in Frieden gelassen. Man wünscht ihm nur, dass er schnell zur Mannschaft darf. Denn da wird gefeiert, genau wie in der Gästekurve und der Heimat. Sollte man irgendwann satt an der Freude über den eigenen Sieg sein, kann man sich noch immer an der Niederlage des Gegners nähren. Doch erstmal bleibt nur Stolz.

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