Samstag, 17. November 2012

Viertel nach 08: Leverkusen - Schalke

Vielleicht liegt es daran, dass ich zuletzt ausnahmsweise ein komplett fußballfreies Wochenende in Hamburg erlebte und das Wolfsburg-Spiel nur aus einer Kurzzusammenfassung kenne, aber brechen wollte für mich die positive Euphorie rund um Leverkusen nicht. Mit dem Selbstverständnis, dass Niederlagen zum Tagesgeschäft gehören, schien man gewillt, sich unaufgeregt der Fehleranalyse und -begradigung zu widmen. Mannschaft und Trainer können sich der Rückendeckung aus dem Umfeld sicher sein und auch aus einem Punktverlust das Beste mitnehmen. Ohnehin sei hier die hervorragende Entwicklung der Fans im Stadion angemerkt: Nörgler* und Pfiffe werden auch bei schwächeren Leistungen weniger, die Nordkurve gönnt sich zwischen An- und Abpfiff nicht eine Verschnaufpause und insgesamt scheint es gemütlicher geworden zu sein in der BayArena - der Zusammenhalt scheint zu wachsen; fast familiär ist die Atmosphäre.

Die ununterbrochene Unterstützung der Fans, welche ebenfalls nach einem verlorenen Spiel keinesfalls mehr schwächelt, gehörte heute sicher zu einem der Faktoren, warum das Spiel gegen Schalke eines der schönsten und besten der Saison war. Sowohl auf den Rängen als auch auf dem Platz nahm man die Rolle des Hausherren gerne an. Je länger gespielt wurde, desto mehr gewann unser Team an Sicherheit und traute sich mehr. Nachdem man zuletzt den Tabellenprimus mit äußerster Not niederrang (passender könnte der Begriff kaum sein) kam Bayer zunehmend zur Gewissheit, dass man im Zweitplatzierten zwar einen immer gefährlichen, aber zumindest heute keinen sehr guten Gegner vor sich hatte. Ein deutliches Signal in diese Richtung sendete beispielsweise Hosogai, der das Duell auf seiner linken Seite mit Farfán hochmotiviert anging. Hosogai wollte und konnte Farfán immer wieder sticheln, ärgern und bedrängen und ihn damit beinahe komplett aus dem Spiel nehmen. Etwas, was Kadlec in den vergangenen Spielzeiten nicht immer gelang. Mit drei extrem abgeklärt gepflückten Flankenbällen in nur wenigen Minuten bestätigte Bernd Leno zudem seine Rolle als sicherer Rückhalt. Da ging 'was. Nur eine nennenswerte Ping-Pong-Situation im eigenen Strafraum sollte die Ordnung kurz durcheinanderwirbeln, dann nahm man sich wieder den eigenen Aufgaben an. Was Hosogai und Leno hinten vermittelten, übertrug sich bald auch auf den Rest der Mannschaft. Man spricht so oft davon, dass sich ein Team verunsichern lässt. Heute war das Gegenteil der Fall. Man versicherte sich, wenn man so will. Und besonnen auf die eigenen Stärken klappte dann fast alles. Ballannahmen klebten am Fuß, Doppelpässe funktionierten, nur Abschlüsse und Flanken wollten noch nicht so recht. Aber dann natürlich das 1:0. Dieses fantastische 1:0. Einfach durchlaufen und in den Winkel zimmern. Kann man so machen. Kann man genau so machen, Herr Schürrle.

Nach dem Pausenpfiff erwartete ich eigentlich gestärkte Schalker, die sich aus Angst vor den wütend vorgetragenen deutsch-holländischen Neologismen des Trainers die Lunge aus dem Leib rennen. Aber stattdessen nahm Bayer die Partie noch mehr in die Hand. Man machte mit den Schalkern einfach was man will. Nur das zweite Tor ließ viel zu lange auf sich warten. Ein Kritikpunkt bleibt: Man lässt zu viel liegen. Kießling ließ die rot-schwarzen Kurven dann doch noch aufatmen - es muss ja nicht jedes Spiel als Krimi enden. Den Elfmeter kann er trotzdem gerne versenken. Und auch so manch andere Situation hätte konsequenter ausgespielt werden sollen. Schön anzusehen ist es jedoch allemale, wenn die eigene Mannschaft einen Titelanwärter spielerisch übertrumpft und souverän besiegt. Da darf dann auch mal die Spielfreude der Effektivität vorgezogen werden. "Nochmal per Volley, Simon?" - "Versuchen wir's!"

*Zum Thema Nörgler und allerhand fußballerischen Leckereien haben die Jungs von von1904.de unseren ehemaligen Manager und Geschäftsführer Reiner Calmund interviewt. Hier geht's zu Teil eins und Teil zwei.
** Ein kurzes Update zum liebenswerten Heinz (ich erinnere an das letzte Heimspiel gegen Düsseldorf): Der Mann wusste mit der heutigen Durchsage "Bitte keine Laserpointer benutzen" rein gar nichts anzufangen. Kennt diese Generation gar nicht. Old School!

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