Sonntag, 24. Februar 2013

Bernd Schneiders Erbe

Ich habe einen Freund, der freut sich Woche für Woche wie ein Schnitzel, wenn es zu Freistoßsituationen kommt. Vor dem Strafraum, versteht sich. 30 Meter vor dem Tor und näher, da kitzelt es ihn in den Fußspitzen und er brüllt begeistert ein "JAAAAARRR" hinaus. Seine Lieblingsspieler sind natürlich die Panders, Fuchs', Salihovics und Arangos dieser Welt. Also all die, die gerne mal einen Freistoß direkt in den Winkel zwirbeln oder hämmern. Und Linksfüße, die mag er auch. Klar: Standardspezialisten mit einem starken linken Fuß sind damit die wahren Fußballgötter für ihn. Er könnte so viel Spaß am Fußball haben, wäre da nicht eine frustrierende Kleinigkeit: Er ist Bayer-04-Fan.

Wer die Spiele von Bayer regelmäßig verfolgt, der hat unbewusst längst eine Routine verinnerlicht. Pfeift der Schiedsrichter zum Freistoß, lehnt sich der Bayer-Fan entspannt zurück und beobachtet nicht etwa das gegnerische Tor, sondern die eigenen Abwehrspieler. Wer steht hinten zur Absicherung bereit? Wie viele gegnerische Stürmer lauern am Mittelkreis? Torgefahr besteht nämlich im Grunde nie, dafür umso mehr die Gefahr, sich einen Konter zu fangen. Wenn sich teils drei unserer Spieler um den ruhenden Ball tummeln, ist die Frage eigentlich nur: Wer vergeigt es diesmal? Oder: Welcher Spieler in der Mauer darf diesmal den Ball blocken? Ganz selten verirrt sich ein Ball auf die Querlatte oder es springt sogar eine Ecke dabei heraus.

Womit wir bei der nächsten Baustelle wären. Die Entwicklung der letzten Jahre zeigte, dass Eckbälle größtenteils auf den ersten Pfosten geschlagen werden. Dort drückt ein heraneilender Mitspieler den Ball entweder direkt aufs Tor, oder kann ihn entscheidend verlängern. So die Theorie. Bei anderen Vereinen scheint das auch gut zu funktionieren. In Leverkusen jedoch hat Gonzalo Castro das uneingeschränkte Vorrecht auf Eckbälle. Als Castro im Hinspiel gegen Benfica ausgewechselt wurde entstand große Verwirrung, als plötzlich niemand mehr zur Eckfahne lief. Dabei wünsche ich mir so sehr eine Veränderung der Hierarchie. Regelmäßig kommt Castro nämlich gar nicht erst bis zum ersten Pfosten, sondern bleibt mit einer halbhohen "Flanke" schon am ersten Verteidiger hängen. Warum darf sich nicht mal ein Boenisch am Eckball versuchen, der den Ball auch im Spiel mit viel Kraft und der nötigen Schärfe in den Strafraum schlägt?

Wahrscheinlich fallen heute Abend gegen Fürth zwei Tore nach Ecken und Kadlec trifft per Freistoß in den Winkel, so wie er es jede zweite Saison ein Mal macht. Allein schon, um mir zu widersprechen. Meine Kritik bleibt aber weiterhin bestehen. Seit Bernd Schneiders Karriereende (2009!) haben wir keinen vernünftigen Standardexperten mehr im Kader. Das ist verdammt traurig, denn wer weiß, was wäre, wenn wir hin und wieder einen unserer 10+ Eckbälle pro Spiel nutzen würden? Von außen betrachtet sieht es so aus, als würde diese Qualität bei Spielertransfers keine Rolle spielen. Für die Zukunft wünsche ich mir aber genau so eine Verstärkung. Einen Zauberer bei ruhenden Bällen. Einen, bei dem wieder das ganze Stadion die Luft anhält, wenn er zum Freistoß antritt. Ich will auch mal wieder vorfreudig "JAAAAARRR" schreien, wenn der Schiedsrichter pfeift.

1 Kommentar:

  1. Quod erat demonstrandum! Heute Abend in Fürth - einfach nicht mehr zum Hinschauen.

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